Inhalt

Unterrichtsmaterial

Praktische Erfahrungen statt Theorie

Interview mit Dagmar Bollin-Flade, Geschäftsführende Gesellschafterin der Christian Bollin Armaturenfabrik GmbH, Frankfurt am Main

Foto von Dagmar Bollin-Flade
Frau Bollin-Flade, Sie engagieren sich seit geraumer Zeit in der Zusammenarbeit mit Schulen.

Bollin-Flade: Genau. Ich bin seit fast 30 Jahren in der IHK Frankfurt tätig, u. a. war ich 15 Jahre Vizepräsidentin. Die IHK Frankfurt hatte schon immer ein Projekt „Unternehmer in Schulen“. Dazu gehört heute noch, dass man als Unternehmer etwa zwei- oder dreimal im Jahr in eine neunte oder zwölfte Klasse geht und dort Jugendlichen vor der Berufswahl wirtschaftsnahe Themen nahebringt und über Wirtschaft und Unternehmertum referiert.

Warum tun Sie das?

Bollin-Flade: Ich tue es deswegen, weil ich glaube, dass wir für ein wirtschaftliches Denken in Schulen und in den Köpfen der jungen Menschen sorgen müssen. Mit dem Thema Wirtschaft ist jeder täglich sehr konkret konfrontiert. Was man dazu in der Schule lernt, ist aber eher abstrakt. Mich hat fasziniert, dass mich einmal eine Klasse gefragt hat, wie man Unternehmer wird. Das lernt man eben nicht in der Schule, das kann man auch nicht wirklich nachlesen. Das muss man in die Schulen hineintragen. Dazu gehört auch, dass man als Unternehmer nicht nur als Geschäftsführer von Großunternehmen wahrgenommen wird, sondern vor allem auch als Mittelständler. Denn da ist der Unternehmer eher noch der echte Unternehmer und nicht der angestellte Manager.

Was genau können die Schülerinnen und Schüler
von Ihnen erfahren und lernen?

Bollin-Flade: Erst einmal geht es nicht um das WAS, sondern und das WIE. Wenn man etwas theoretisch lernt, kann man damit zunächst nichts anfangen. Das ist wie mit Mathematikformeln, die man auswendig lernt und nicht weiß, wofür. Und wenn ein Lehrer versucht, seinen Schülern Unternehmertum theoretisch nahezubringen, etwas, das er selbst nicht erfahren hat, dann ist das Wissen aus zweiter, dritter Hand. Wenn aber jemand aus seinem eigenen Erfahrungsschatz berichtet, welche Probleme, welche Schwierigkeiten und welche Erfolge er hat, dann bleibt es nicht nur bei der Theorie. Dann werden solche Inhalte plastisch und nacherlebbar.

Haben Sie ein Beispiel?

Na ja, dass man für vieles selbst verantwortlich ist. Beispielsweise dafür, wie die Arbeit erledigt wird. Als Unternehmer erhält man ja sehr schnell eine Rückmeldung darüber, ob man gut oder schlecht gearbeitet hat. Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den eigenen Entscheidungen und den Konsequenzen. Wir probieren bei uns beispielswiese immer wieder Werkzeuge für die Produktion aus oder lassen uns neue Programme z. B. für unser Warenwirtschaftsystem schreiben. Sie wissen aber erst hinterher, ob
ein Vorhaben funktioniert oder nicht. Auch führt nicht jedes Angebot, das wir unterbreiten, zum gewünschten Erfolg. Wir wollen klarmachen, dass nur derjenige etwas erreichen kann, der es zumindest versucht. Selbst wenn das nicht gleich gelingt, muss es nicht mutlos machen, sondern es zeigt einfach nur, dass der erste Weg nicht gleich der richtige Weg war.

Wie profitieren Lehrer, wenn sie Kooperationen mit Unternehmen eingehen?

Bollin-Flade: Sie sind nicht nur auf das Wissen aus dem Lehrbuch angewiesen, sondern können auf unseren Erfahrungsschatz zurückgreifen. Das ist keine Kritik, aber es ist doch so: Viele Lehrer kommen ja nie mit Wirtschaft in Berührung. Sie gehen selbst zur Schule, danach auf die Hochschule, um zu studieren, danach wieder zurück in die Schule. Das wahre Leben spielt eigentlich daneben.

Wie profitiert Ihr Unternehmen von diesen Kooperationen?

Bollin-Flade: Wir kommen so in Kontakt mit jungen Menschen und finden dabei Auszubildende. Und dann möchten wir noch für ein positives Unternehmerbild werben, das hierzulande in Schulbüchern unter dem Strich nicht besonders gut wegkommt. Da wird den Jugendlichen noch das Bild der 50er, 60er Jahre präsentiert. Das ist vorbei. Unternehmer sind heute modern denkende Menschen, die nicht nur ihr Unternehmen, sondern auch das Wohl ihrer Mitarbeiter und das soziale Umfeld im Fokus haben: Wenn wir beispielsweise unseren Mitarbeitern dabei helfen, Familie und Beruf mit angepassten Arbeitszeiten unter einen Hut zu bringen, Kindergartenplätze vermitteln oder für schnelle Hilfe bei pflegebedürftigen Angehörigen sorgen. Oder wenn wir uns auch außerhalb des Unternehmens hier vor Ort engagieren, sowohl im Sportverein als auch in diversen Stadtteilinitiativen.