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Unterrichtsmaterial

Verzahnung von Theorie und Praxis

Interview mit Prof. Dr. Dirk Loerwald, Institut für Sozialwissenschaften, Wirtschaft/Politik und ihre Didaktik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Foto von Prof. Loerwald

Was zeichnet Praxiskontakte methodisch besonders aus?

Loerwald: Der gemeinsame Nenner von Betriebsbesichtigungen, Betriebserkundungen, Praktika oder Expertengesprächen ist die handlungsorientierte Verzahnung von Theorie und Praxis. Das bedeutet erstens, dass Schülerinnen und Schüler in Praxiskontakten aktiv in den Lernprozess eingebunden werden und handelnd lernen. Das bedeutet zweitens, dass in Praxiskontakten das im Unterricht Gelernte systematisch mit Beobachtungen und Erfahrungen in der Wirtschaftswelt in Beziehung gesetzt werden kann. Die Anwendbarkeit des Wissens wird Schülerinnen und Schülern unmittelbar deutlich.

Welches sind Unterschiede zu Schülerfirmen, Planspielen, Wettbewerben u. a.?

Loerwald: Praxiskontakte verbinden das echte Wirtschaftsleben mit dem Unterricht. Zwar können auch Planspiele durch einen gewissen Praxiskontakt gekennzeichnet sein. Allerdings wird hier Realität lediglich simuliert, wohingegen Praxiskontakte im engeren Sinne einen Bezug zum echten Leben schaffen. Im Unterschied zu Schülerfirmen-Projekten lassen sich klassische Praxiskontakte besser in den regulären Wirtschaftsunterricht einbinden. Dadurch dürfte die Verzahnung von Theorie und Praxis besonders gut gelingen. Wettbewerbe können im Rahmen von Praxiskontakten zum Einsatz kommen, wie dies beispielsweise beim Deutschen Gründerpreis für Schüler der Fall ist. Ihr Potenzial liegt vor allem darin, durch Anreize Kreativität freizusetzen.

Für welche Themen sind Praxiskontakte besonders geeignet?

Loerwald: Praxiskontakte wurden lange fast ausschließlich im Bereich der Berufsorientierung eingesetzt. Die Schülerinnen und Schüler sollen hier vor allem im Rahmen von Betriebspraktika die Berufs- und Arbeitswelt kennenlernen, Berufswünsche besser reflektieren lernen und den Berufswahlprozess besser planen können. Heute werden Praxiskontakte auch vielfach dazu genutzt, um weitere, auf ökonomische Allgemeinbildung zielende Problemstellungen handlungsorientiert zu erarbeiten.

Für welche Lernsituationen sind Praxiskontakte besonders geeignet?

Loerwald: Praxiskontakte sind immer dann hilfreich, wenn eine authentische Situation oder ein authentischer Praxispartner den Lernerfolg verbessern kann. Beispielsweise in Lernprozessen, in denen die Schülerinnen und Schüler selbständig und eigenaktiv an einer zentralen Problemstellung arbeiten sollen.

Welche besonderen Probleme gibt es beim Einsatz von Praxiskontakten?

Loerwald: Es ist wichtig, dass Unterricht und Praxiskontakt nicht aneinander vorbeilaufen, sondern systematisch miteinander verzahnt werden. Ein Praxiskontakt bei McDonald’s kann beispielsweise zum Ziel haben, dass die Schülerinnen und Schüler etwas über die Vertriebsform Franchising lernen sollen. Es kann aber sein, dass die Jugendlichen ganz andere Dinge wahrnehmen, z. B. welche Weihnachtsangebote es geben wird oder wie groß der Durchmesser eines Burgers sein darf. Das wäre ein Beispiel dafür, dass das Zusammenspiel von Theorie und Praxis misslingt. Die systematische Verknüpfung von Wirtschaftsunterricht und Praxiskontakt ist deshalb eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Praxiskontakt.

Wie schafft man als Lehrkraft eine systematische Verknüpfung von Wirtschaftsunterricht und Praxiskontakt?

Loerwald: Bei Lehrkräften und auch bei Schülerinnen und Schülern steht bei Praxiskontakten vor allem die Durchführungsphase im Mittelpunkt. Für die Jugendlichen geht es um ein besonders motivierendes Event, die Betreuer müssen für die Organisation sorgen. Mindestens genauso relevant ist aber eine ausführliche unterrichtliche Vorbereitung, damit der Blick der Schülerinnen und Schüler auf das – aus Sicht des Unterrichts – Wesentliche gelenkt werden kann. Das Hauptaugenmerk beim Praxiskontakt sollte meines Erachtens auf die unterrichtliche Nachbereitung gelegt werden, weil hier die gemachten Erfahrungen und Beobachtungen in echte Lernerfolge umgewandelt werden können. Hier sollte die Frage im Mittelpunkt stehen, ob die gemachten Erfahrungen und Beobachtungen mit anderen, allgemeinen Beobachtungen und mit theoretischen Erkenntnissen übereinstimmen oder nicht. In letzterem Fall ist eine besonders ausführliche Nachbereitung erforderlich. Auf diese Weise können die im Praxiskontakt gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen in übergeordnete Sach- und Sinnzusammenhänge eingebettet und Theorie und Praxis bildungswirksam miteinander verknüpft werden.