Eine Schülerfirma im Klassenzimmer gründen

Lehrkraft mit Weitblick: Juliane Wagner holt mit Schülerfirmen Start-up-Spirit ins Klassenzimmer. Foto: privat
Sie ist Vollzeitlehrerin am Gymnasium München-Nord und eine engagierte noch dazu; ganz besonders wenn es um die Themen Wirtschaft und Berufsorientierung geht. Seit zwei Jahren bietet Juliane Wagner im Projekt-Seminar zur Studien- und Berufsorientierung, kurz P-Seminar – ein fester Bestandteil der gymnasialen Oberstufe in Bayern – das P-Seminar Unternehmensgründung an. Mit IW JUNIOR als Partner – einer Initiative, die bundesweit Schülerfirmen begleitet und in Bayern von SCHULEWIRTSCHAFT Bayern im Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft e.V. durchgeführt wird – gründen Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 11 ein Jahr lang echte Unternehmen, entwickeln Produkte, verkaufen sie – und sammeln Erfahrungen, die weit über Schulbücher hinausgehen. Was das mit Bühnenpräsenz, Stolz und viel Eigeninitiative zu tun hat, erzählt die 33-Jährige im Interview mit der Geschäftsstelle Gründung in school.
Sie begleiten das zweite Jahr in Folge Ihre Schülerinnen und Schüler in dem P-Seminar Unternehmensgründung – warum?
Mich begeistert, wie kreativ und ideenreich die Jugendlichen sind, wenn sie sich mit echten Gründungsideen auseinandersetzen – das geht weit über das hinaus, was wir im Lehrplan theoretisch behandeln. Im Rahmen des P-Seminars haben sie die Chance, ihre unternehmerischen Ideen nicht nur theoretisch zu durchdenken, wie es im regulären Lehrplan der 10. Klasse vorgesehen ist, sondern sie auch ganz praktisch umzusetzen. IW JUNIOR bietet dafür einen wirklich gut strukturierten Rahmen mit digitalen und analogen Angeboten, die gezielt auf die einzelnen Unternehmensbereiche wie Marketing, Produktion oder Finanzen zugeschnitten sind. Das motiviert nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch mich als Lehrkraft immer wieder neu. Und wenn man dann noch die Unterstützung der Schulleitung hat und – wie wir hier in München – so viele Möglichkeiten quasi direkt vor der Tür hat, wäre es schade, diese Chancen nicht zu nutzen.
Was nehmen Ihre Schülerinnen und Schülern daraus mit?
Die JUNIOR-Programme ermöglichen Einblicke in eine ganz andere Welt und die Chance, einmal aus dem Rahmen der Schule herauszutreten und in die Arbeitswelt einzutauchen. Solche Erfahrungen sind besonders motivierend und bleiben in Erinnerung; wie das JUNIOR Community MeetUp neulich im WERK1 – dem digitalen Gründungszentrum am Münchner Ostbahnhof –, wo wir direkt mit Start-up-Gründerinnen und Gründern sprechen konnten. Dabei lernen die Jugendlichen Unternehmertum nicht nur theoretisch kennen, sondern dürfen erleben, was es wirklich bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, kreativ zu arbeiten und im Team reale Herausforderungen zu meistern.
Welche Lerneffekte nehmen Sie bei den Jugendlichen noch wahr?
Wahnsinnig viele – sowohl auf fachlicher als auch auf persönlicher Ebene. Im Wirtschaftsunterricht in Klasse 10 bereiten die Schülerinnen und Schüler gerade ihre Pitches vor, bei denen sie dieses Mal nicht im Klassenzimmer, sondern auf einer großen Bühne in der Aula stehen. Im P-Seminar vertiefen sie diese Erfahrungen noch. Da zeigt sich auch, wie kreativ und lösungsorientiert sie werden, wenn man ihnen Freiräume lässt. Ich gebe ihnen nur die Rahmenbedingungen – und dann legen sie los. Sie reflektieren ihre Ideen, prüfen Machbarkeit, analysieren Zielgruppen und lernen etwa, dass eine App-Idee zwar attraktiv klingt, aber ein Entwickler eben Geld kostet. Gleichzeitig wachsen sie im sozialen Bereich: In den Projektteams arbeiten sie über Wochen intensiv zusammen, müssen Konflikte lösen, und Kompromisse finden und werden dabei enorm selbstständig.
Wie die Gruppe aus meinem P-Seminar, die als Schülerfirma beim diesjährigen JUNIOR Landeswettbewerb in Bayern antritt mit ihren selbsthergestellten Holzbrettern. Obwohl sie zunächst dachten, sie würden es zeitlich nie schaffen, haben sie sich in den Ferien eigenständig organisiert, Termine im Makerspace von BMW – einer Werkstatt, die Schülerinnen und Schüler nach einer Einführung nutzen dürfen – vereinbart und dort den Prototyp fertiggestellt, alles ohne meine Hilfe. Dieser Schritt in die Selbstverantwortung, das Überwinden von Zweifeln – das sind echte Lerneffekte, die weit über den Unterricht hinausgehen.
Wie aufwendig ist das Gründen einer Schülerfirma im Schulalltag?
Bei uns ist das mit zwei Unterrichtsstunden pro Woche gut in den regulären Unterricht integriert. Der eigentliche Aufwand liegt eher in der Art der Begleitung: Gerade zu Beginn ist es eine Herausforderung, bis die 15 Schülerinnen und Schülern – die maximale Teilnehmerzahl im P-Seminar – sich auf ein Produkt einigen können, das alle umsetzen wollen. Aber dann läuft vieles eigenständig. Anfangs ist die Einarbeitung durchaus aufwendig, weil es ja auch um rechtliche Fragen geht, etwa: Wie melde ich eine Schülerfirma beim Finanzamt an? Das war für mich als Lehrerin zunächst Neuland. Aber auch hier unterstützt IW JUNIOR mit Formularen und Materialien, die den Einstieg erleichtern. Ohnehin konnte ich mich bei Fragen immer an die Ansprechpartnerin wenden. Sehr empfehlenswert ist auch der Austausch mit anderen Lehrkräften, die ähnliche Projekte begleiten, um sich gegenseitig zu entlasten, Probleme einzuordnen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Welche Tipps haben Sie noch für interessierte Kolleginnen und Kollegen, die ihren Schülerinnen und Schülern unternehmerisches Denken und Handeln vermitteln möchten?
Das Wichtigste ist, offen für Möglichkeiten zu sein. Viele Kooperationen entstehen zufällig – etwa durch Gespräche auf Berufsmessen oder durch persönliche Kontakte. Die meisten externen Partner freuen sich, wenn sie junge Menschen für Unternehmertum begeistern können. Lehrkräfte, die mit ihrer Klasse eine Schülerfirma gründen möchten, sollten sich einfach intensiv in die Abläufe einarbeiten. Dafür braucht es aber keinen Wirtschaftshintergrund, da kann wirklich jede Lehrkraft aus dem eigenen Fach etwas umsetzen. Es lohnt sich in jedem Fall und ermöglicht jungen Menschen positive Erfahrungswerte. Das sind Momente, an die sie sich noch in 20 Jahren erinnern werden: Wie sie beim Landeswettbewerb auf der Bühne standen und ihre Idee, die in ihren Köpfen entstanden ist, vor allen anderen präsentiert haben.