Von der Schule ins Start-up: Gründen im Studium

Studiengangsleiter Professor Dr. Volker Looks ist überzeugt: Der interdisziplinäre Studiengang Gründung Innovation Entwicklung ermöglicht beides: studieren und gründen. Foto: Höfer – HS Flensburg
Wer schon in der Schule Start-up-Luft geschnuppert hat, steht nach der Schulzeit vor der Frage: Studium oder eigenes Unternehmen? Die Hochschule Flensburg möchte jungen Menschen beides ermöglichen und zwar ohne Kompromisse. Ab Herbst 2025 startet dort der neue Bachelorstudiengang „Gründung, Innovation, Entwicklung“ (GIE). Das Konzept: Studierende arbeiten ab dem ersten Semester an eigenen Gründungsprojekten, unterstützt durch erfahrene Coaches und ein interdisziplinäres Curriculum. Ziel ist es, die oft schwierige Balance zwischen Studium und Unternehmertum zu erleichtern – und eine Gründungskultur zu schaffen, die über klassische Ansätze hinausgeht.
Gründung in school hat mit dem Studiengangsleiter Professor Dr. Volker Looks über die Hintergründe und Besonderheiten des neuen Studiengangs gesprochen.
Warum haben Sie den neuen Studiengang ins Leben gerufen?
Es gab zwei zentrale Beweggründe: Zum einen haben wir in den letzten Jahren immer wieder erlebt, wie herausfordernd es für unsere gründungsinteressierten Studierenden war, Studium, Nebenjob und Unternehmensgründung parallel zu stemmen. Oft mussten sie ihre Gründungsvorhaben pausieren oder ganz aufgeben. Deshalb wollten wir einen Studiengang schaffen, der beides vereint: Studieren und Gründen – nicht als Entweder-oder, sondern als Einheit. Zum anderen entstand der Studiengang aus einem erfolgreichen Projekt zur technologischen Gründungsförderung, das wir mit dem neuen Studiengang nun dauerhaft etablieren. Während wir bisher etwa 50 Studierende in fünf Jahren intensiv begleitet haben, werden wir künftig rund 40 Gründungsprojekte pro Jahr unterstützen. So können wir unsere Erfahrungen verstetigen und die Gründungskultur an der Hochschule nachhaltig stärken.
Was macht Gründung Innovation Entwicklung Ihrer Meinung nach besonders?
Das Studium ist durch den Team Academy-Ansatz – ein Konzept, das ursprünglich aus Finnland stammt – stark praxisorientiert: Hier gründen Studierende nicht nur theoretisch Unternehmen, sondern müssen vom ersten Semester an Gründungsprojekte aufbauen, Produkte entwickeln, Kunden gewinnen und versuchen, damit auch Einnahmen zu erzielen. Das Geld fließt dann in eine gemeinschaftliche Organisationsform – typischerweise eine Genossenschaft oder, wie bei uns geplant, ein wirtschaftlicher Verein –, aus deren Mitteln weitere Projekte finanziert werden können. Dabei geht es ausschließlich um die Ideen der Studierende selbst; um die Frage: Was wollt ihr als Team umsetzen? Neben der starken Praxisorientierung zeichnet sich das Studium durch spezielle Coaching-Module aus: In jedem Semester arbeiten die Studierenden mit zwei professionellen Coaches daran, sich selbst besser zu verstehen – etwa eigene Reaktionsmuster zu erkennen und zu lernen, wie Teams funktionieren oder Konflikte konstruktiv gelöst werden können. Besonders ist, dass wir – anders als klassische Team Academies – nicht rein betriebswirtschaftlich ausgerichtet sind, sondern interdisziplinär und neben dem Profil Wirtschaft auch die Profile Ingenieurwesen, Life Sciences oder Informatik und Gestaltung anbieten.
Warum ist aus Ihrer Sicht dieser interdisziplinäre Ansatz so wichtig?
Es gibt heutzutage kaum ein Produkt, das nur eine Ingenieurin oder ein Ingenieur allein konstruieren könnte. Überall stecken neben Ingenieursfragen auch Informatik-, Design- und natürlich Wirtschaftsfragen drin. Das heißt, es braucht ganz viele Kompetenzen mit am Tisch, diverse Teams eben. Klassische Studiengänge bilden zwar wichtige Spezialistinnen und Spezialisten aus, doch gerade für Start-ups und moderne Unternehmen sind Menschen gefragt, die unterschiedliche Perspektiven verstehen und miteinander verbinden können. Außerdem drehen wir die klassische Aufteilung – erst die Theorie, dann die Praxis – mit unserem interdisziplinären Ansatz um. Das macht das Studium lebendiger, motivierender – und führt dazu, dass die Theorie plötzlich Sinn macht.
Wie sieht das ab September in der Praxis konkret aus?
Wir starten mit 30 Studierenden, die gleich in den ersten drei Wochen im sogenannten Ideation-Modul in intensiven Workshops und kleinen Teams eigene Ideen entwickeln. Anschließend arbeiten die Teams an ersten Prototypen, unterstützt durch FabLab, Usability- und Design-Labore. Bis Semesterende erstellen die Studierenden daraus ein "Minimum Viable Product" – ein erstes, marktfähiges Produktfragment –, mit dem sie echte Kundinnen und Kunden ansprechen und versuchen, erste Umsätze zu erzielen. Dabei geht es nicht nur um Technik, sondern besonders darum, früh Feedback aus dem Markt einzuholen und daraus zu lernen. Diesem Zyklus folgt übrigens jedes Semester: entwickeln, testen, am echten Markt lernen und sich mit jedem Prototypen weiterentwickeln.
Ein Beispiel: Um bis zum Ende des ersten Semesters Prototypen entwickeln zu können, erstellen unsere Studierenden bereits früh ein erstes Geschäftskonzept. Mithilfe eines Business Model Canvas setzen sie sich mit Kunden, Märkten, Pains und Gains auseinander – natürlich noch nicht perfekt. Aber genau diese frühe Erfahrung macht es später viel sinnvoller und greifbarer, wenn sie im zweiten Semester lernen, wie ein Businessplan im Detail aufgebaut wird. Das Prinzip dahinter ist stark von der Pädagogik der Berufsschulen geprägt: Lernen beginnt bei einem realen Problem, dazu wird passende Theorie vermittelt, die dann sofort anwendbar ist. Gerade für diese Zielgruppe ist der Studiengang gedacht. Er erlaubt es, praxisnah einzusteigen, ohne sich sofort auf BWL, Informatik oder Design festzulegen – das kann sich im Laufe des Studiums entwickeln; und er bereitet die jungen Menschen gut vor – auf Gründung, Beruf und ein lebenslanges Lernen.
Wie unterstützt das Gründungsökosystem der Hochschule Flensburg?
Die Hochschule Flensburg blickt auf mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Gründungsförderung zurück. In dieser Zeit wurden rund 700 Gründungsprojekte begleitet – nicht alle führten zur tatsächlichen Unternehmensgründung, aber viele erfolgreiche Start-ups sind daraus hervorgegangen. Dieses gewachsene Know-how bündeln wir heute in einem starken Gründungsökosystem auf dem Campus. Ein zentrales Element ist das Dock1, unser Gründungszentrum, in dem mehrere erfahrene Beraterinnen und Berater arbeiten. Sie sind eng vernetzt mit der Wirtschaftsförderung Schleswig-Holstein, regionalen Innovationszentren wie der Liese 2 – einem Gründungszentrum für rund 80 Start-ups – sowie mit Institutionen wie der IHK. Schleswig-Holstein ist zwar flächenmäßig groß, aber mit knapp zwei Millionen Einwohnern relativ überschaubar. Das führt zu einem sehr persönlichen, intensiven und hilfsbereiten Netzwerk, von dem Gründerinnen und Gründer stark profitieren.