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Social Entrepreneurship-Workshop stärkt Jugendliche: Tiny Houses für den guten Zweck

Die Stiftung Bildung fördert mit youstartN unternehmerisches Denken und soziale Verantwortung junger Männer in Leipzig.

Portrait von Lisa Scheddin und Aldo Stephan

Mit dem Workshop im Seehaus e.V Leipzig wollen Lisa Scheddin und Aldo Stephan auch Jugendliche erreichen, die im Bildungsdiskurs oft vergessen werden. Foto: Anja Piredda, Stiftung Bildung

Was passiert, wenn Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) auf Lebensrealitäten trifft, in denen Verantwortung und Perspektivsuche alltäglich sind? Im Mai 2025 hat die Stiftung Bildung gemeinsam mit Heartbeat Edutainment einen Workshop im Seehaus e.V. bei Leipzig durchgeführt – einem Jugendstrafvollzug in freier Form für junge Männer zwischen 16 und 23 Jahren. Im Mittelpunkt standen Gemeinschaft, Eigenverantwortung und die Entwicklung neuer Perspektiven: Zusammen wurden innovative Ideen für nachhaltige Schülerfirmen entwickelt. Besonders eindrucksvoll war das Projekt „Tiny Houses“ – hier arbeiten die Jugendlichen daran, nachhaltigen Wohnraum für Bedürftige zu schaffen.

Im Interview erzählen Lisa Scheddin, Projektleiterin von youstartN, und Aldo Stephan, Projektreferent im gleichen Programm, wie kreative Methoden wie Rap Räume für echte Gespräche öffneten und warum Projekte wie diese gesellschaftliche Teilhabe und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ganz praktisch erfahrbar machen.

Was macht das Seehaus Leipzig zu einem besonderen Ort und warum funktioniert BNE gerade dort so gut?

Aldo: Mit youstartN wollen wir gezielt auch Jugendliche erreichen, die im Bildungsdiskurs oft vergessen werden. Im Seehaus Leipzig, das auf Gemeinschaft und Eigenverantwortung setzt, stieß unser Ansatz auf großes Interesse. Bildung für nachhaltige Entwicklung verbunden mit unternehmerischem Denken trifft hier auf echte Lebensrealitäten wie Armut oder Ausgrenzung – Themen, zu denen die Jugendlichen einen unmittelbaren Bezug haben. Gerade bei den Nachhaltigkeitszielen wie „Keine Armut“ war die Motivation groß, sich einzubringen.

Lisa: Unser Ziel ist es, wirtschaftliches Denken und Nachhaltigkeit zusammenzubringen, gerade mit Jugendlichen, deren Lebenswege von Brüchen geprägt sind. Sie sind oft besonders offen für soziale Gerechtigkeit. Im Seehaus erleben wir, wie engagiert die Jugendlichen bei BNE mitmachen, weil sie darin ihre eigenen Erfahrungen wiederfinden – oft sogar direkter als an anderen Schulen.

Zum Auftakt habt ihr die Jugendlichen rappen lassen, gemeinsam mit Heartbeat Edutainment. Was ist da passiert, als die jungen Männer das Mikro ergriffen haben?

Aldo: Wir brauchten einen echten Türöffner, um Vertrauen aufzubauen – und Rap war für die Jugendlichen ein Zugang, bei dem sie sich persönlich einbringen konnten. Mit Rico von Heartbeat Edutainment entstand sofort eine offene Atmosphäre. Und dann war es fast filmreif: Ein Jugendlicher griff direkt zum Mikrofon, erzählte seine Geschichte, andere hörten gebannt zu. So entstanden schnell Nähe und Gemeinsamkeit – die perfekte Grundlage für unser Schülerfirmenprojekt rund um soziale Innovationen.

Lisa: Das war ein echter Gänsehautmoment. Die Jugendlichen waren danach offen und interessiert, auch für die Inhalte zu Nachhaltigkeit und Unternehmertum. Über die Musik konnten sie ihre Themen und Gefühle einbringen und entwickelten gemeinsam Reime zu den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung. So wird BNE greifbar und praxisnah vermittelt.

Am nächsten Tag ging es um die Gründung einer Schülerfirma. Was hat euch an den Ideen, an der Haltung der Jugendlichen am meisten beeindruckt?

Aldo: Die soziale Haltung, mit der die Jugendlichen an ihre Ideen herangegangen sind. Alle Schülerfirmen hatten das Ziel, sich mit der Gemeinde zu verbinden und etwas zurückzugeben. Sie wussten, dass es in den umliegenden Dörfern Vorbehalte gegenüber dem Seehaus gibt und genau das wollten sie aktiv aufbrechen. So plante die Gruppe der Holzwerkstatt, neben Holzspielzeug für die vielen Kinder im Viertel auch Tiny Houses aus recyceltem Holz für Wohnungslose zu bauen. Die Eventgruppe wollte durch Veranstaltungen Begegnungen schaffen und Brücken bauen. Auch bei der Marmeladen-Gruppe stand der Austausch im Mittelpunkt: Mit Probierbechern wollten sie Vertrauen schaffen.
Uns hat das tief bewegt, weil all diese Ideen ohne pädagogischen Zeigefinger entstanden sind. Und es war nicht nur die inhaltliche Reife, die beeindruckt hat, sondern auch der respektvolle Umgang untereinander. Ein junger Mann war erst eine Woche im Seehaus, sehr ruhig, eher zurückhaltend – und wurde sofort mit einbezogen, als selbstverständlicher Teil der Gruppe.

Lisa: Für uns war das einer der intensivsten und produktivsten Workshops überhaupt. Die Jugendlichen haben gezeigt, dass sie Verantwortung übernehmen wollen – für sich selbst und für andere. Ihre eigene Lebenserfahrung – mit Armut, Ausgrenzung, Fehlern – wurde zum Antrieb für etwas Konstruktives. Das war unglaublich stark.

Das klingt danach, als wäre das der Auftakt für weitere Social-Entrepreneurship-Workshops…

Lisa: Ja, das ist unser Ziel. Wir haben gesehen, wie stark junge Menschen auf Themen wie Selbstwirksamkeit, Verantwortung und Unternehmertum reagieren.  Das Seehaus Leipzig war dafür ein idealer Einstieg, aber es gibt sicherlich noch viele Einrichtungen, die offen für solche Impulse sind. Um mehr Jugendlichen diese Chance zu geben, wollen wir deshalb gezielt weitere Workshops anbieten.

Aldo: Besonders motivierend war ein Moment im Workshop mit einem Jugendlichen, der fest vorhat, später einen Dönerladen zu eröffnen und irgendwann sogar ein eigenes Restaurant. Für ihn war es unglaublich wertvoll, gemeinsam einen Geschäftsplan zu entwickeln, mit echten Zielen, die ihn antreiben. Themen wie „Kein Hunger“ oder regionale Lebensmittelproduktion waren für ihn sofort greifbar. So bekommt Bildung für nachhaltige Entwicklung direkten Alltagsbezug und Perspektiven.

Und wie geht es konkret im Seehaus Leipzig weiter?

Aldo: Das Projekt geht nun in die nächste Phase. Der Förderantrag ist bewilligt, Materialien werden beschafft und die Schülerfirma wird vor allem im Wirtschaftsunterricht montags weiterentwickelt, ergänzt durch praktische Einheiten bei Gemeindeveranstaltungen oder in Werkstätten. Wir stehen im engen Austausch mit der Lehrkraft vor Ort und begleiten das Team bei allen Fragen. Besonders wichtig ist für uns, ob es gelingt, mit der Schülerfirma Brücken in die Gemeinde zu bauen, das wäre ein starkes Signal.

Lisa: Eine Herausforderung ist der ständige Wechsel der Jugendlichen im Seehaus, was den Aufbau einer stabilen Firma erschwert. Aber gerade das zeigt, dass unter diesen Bedingungen Verantwortung übernommen und Ideen weitergetragen werden können. Langfristig soll das Projekt als Vorbild für andere Einrichtungen wirken. Wir denken auch über digitale Vernetzungsformate mit anderen Schülerfirmen nach. Trotz der strengen Regeln finden die Jugendlichen Zeit und Motivation, ihre Firma zu führen – das ist bemerkenswert und macht Mut. Wir freuen uns jedenfalls darauf, irgendwann Fotos vom Weihnachtsmarkt mit selbstgebauten Produkten oder einem Tiny House für die Bahnhofsmission zu sehen. Das wäre ein deutliches Zeichen für echte Veränderung. Und wer weiß, vielleicht hören wir die Geschichte des Dönerladens irgendwann zu Ende. 

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