Starkes Netzwerk für Entrepreneurship Education in Brandenburg

Schülerfirmen stärken, Gründungsgeist wecken: Im Gespräch mit Larissa Knuth (IHK Potsdam), Lehrkraft Thomas Jandt und Jana Heiberger (DIHK) über erfolgreiche Kooperationen für gelebte Entrepreneurship Education in Brandenburg. Fotos: IHK Potsdeam, privat, DIHK
In Brandenburg zeigt sich: Wenn Schule, Wirtschaft und Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen, entstehen Lernräume, in denen Gründungsgeist spürbar wird. Schülerfirmen entwickeln echte Produkte, treffen Entscheidungen, scheitern und wachsen daran – begleitet von Unternehmerinnen und Unternehmern, IHK-Partnerinnen und -Partnern und engagierten Lehrkräften.
Gründung in school hat mit drei Menschen gesprochen, die dieses Miteinander möglich machen: Larissa Knuth, Referentin Stiftung Fachkräfte für Brandenburg bei der IHK Potsdam, Jana Heiberger, Referatsleiterin Berufsorientierung, Berufsschule, MINT-Förderung bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), und Thomas Jandt, Lehrkraft für Informatik an der Lenné-Gesamtschule in Potsdam Im Interview erzählen sie, warum Schülerfirmen weit mehr sind als Schulprojekte – und was es braucht, damit solche Kooperationen überall gelingen.
Die DIHK warnt aktuell: Deutschland drohen die Unternehmerinnen und Unternehmer auszugehen. Welche Rolle spielen Praxisformate oder Schulpartnerschaften bei der Fachkräftesicherung und der Förderung unternehmerischer Kompetenzen?
Heiberger: Aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft ist es entscheidend, dass junge Menschen früh ein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge entwickeln – von den eigenen Finanzen bis zur Volkswirtschaft. Genauso wichtig ist jedoch die unternehmerische Bildung: Sie ist ein zentraler Baustein für Fachkräftesicherung, Gründungsgeist und Unternehmensnachfolge. Formate wie Schülerfirmen oder Gründungswettbewerbe schaffen dabei praxisnahe Räume, in denen Jugendliche Wirtschaft selbst erleben können. So begreifen sie nicht nur die Theorie besser, sondern verstehen auch, warum unternehmerisches Denken für ihre eigene Zukunft relevant ist.
Knuth: Wir merken bei unseren Schulbesuchen sehr deutlich, wie Projekte mit Gründerinnen und Gründern den Blick der Jugendlichen öffnen können. Gerade wenn wir an Oberstufenzentren mit Auszubildenden arbeiten, entsteht oft dieser Aha-Moment: „Das könnte auch etwas für mich sein.“ Wenn wirtschaftliches Denken früh verankert wird, steigen die Chancen, dass junge Menschen sich später selbstständig machen.
Jandt: Ich komme eher von der pädagogischen Seite – aus der Perspektive der Jugendlichen und ihrer Familien. Was wir zunehmend erleben: Eltern wählen gezielt Schulen wie unsere, weil wir Berufsorientierung und unternehmerisches Lernen in den Alltag integrieren. Einige Jugendliche kommen gezielt wegen unserer Schülerfirmen, haben in den Medien davon gehört und wollen Teil davon sein. Unsere Schulform – eine Gesamtschule in vollgebundenem Ganztag – bietet mit flexibleren Stundenplänen dafür die nötigen Freiräume. Wenn das Kollegium engagiert ist und die Schulleitung Rückendeckung gibt, können wir diesen gesellschaftlichen Bedarf hervorragend aufgreifen und einen konkreten Beitrag zur Nachwuchsförderung leisten.
Die Stiftung „Fachkräfte für Brandenburg“ möchte junge Menschen frühzeitig für berufliche Perspektiven in der Region begeistern. Wie unterstützt das Projekt Future Founders (eine gemeinsame Initiative von Stiftung und IHK, die Schulen und Unternehmen verbindet, um jungen Mensschen Perspektiven für Gründung Unternehmensnachfolge aufzuzeigen) dieses Ziel?
Knuth: Future Founders bringt Gründerinnen und Gründer direkt an die Schulen – mit ihren persönlichen Geschichten, Herausforderungen und Erfolgen. Für die Jugendlichen wird so greifbar, was es heißt, ein eigenes Unternehmen zu führen. Besonders wirkungsvoll ist dabei unser Barcamp-Format: Schülerfirmen treffen auf erfahrene Unternehmerinnen und Unternehmer und erarbeiten in Sessions praxisnahe Themen wie Marketing, Finanzierung oder Vertrieb – ganz im Sinne eines echten Austauschs auf Augenhöhe.
So entstehen Impulse, Netzwerke und manchmal sogar erste konkrete Gründungsideen. Viele der Unternehmerinnen, mit denen wir arbeiten, engagieren sich ohnehin ehrenamtlich – etwa in IHK-Ausschüssen oder bei den Wirtschaftsjunioren. Sie bringen das Mindset mit: den Wunsch, etwas zurückzugeben, junge Menschen zu fördern, Nachfolgefragen frühzeitig anzustoßen. Dieses Engagement ist meist intrinsisch motiviert – wir müssen selten aktiv akquirieren.
Was bedeutet die Zusammenarbeit mit der IHK-Stiftung Fachkräfte für Brandenburg für die Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler?
Jandt: Viele Jugendliche wissen am Ende der Schulzeit noch nicht genau, wohin es beruflich gehen soll, da braucht es mehr als Lehrbücher. Wenn dann Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Region ins Klassenzimmer kommen, wird Berufsorientierung auf einmal greifbar. Die Jugendlichen erleben echte Persönlichkeiten mit echten Herausforderungen und merken: Das betrifft auch uns. Wenn etwa ein Unternehmer beim Barcamp über Personalfragen oder Marketing spricht, dann ist das nicht Theorie, sondern ganz nah an der Realität der Schülerfirmen. Diese Impulse wirken tief und viel stärker, als es eine Lehrkraft je könnte.
Heiberger: Solche Begegnungen helfen auch dabei, mit Unternehmensklischees aufzuräumen. Statt goldener Manschettenknöpfe erleben die Jugendlichen ganz unterschiedliche Gründungspersönlichkeiten – nahbar, engagiert und mutig. Das öffnet den Blick: für Gründung, für Selbstständigkeit und für vielfältige berufliche Wege jenseits des Gewohnten.
Welche konkreten Kompetenzen nehmen die Jugendlichen aus der Arbeit in Schülerfirmen und Projekten wie Future Founders (Gründungsprogramme und Förderformate für innovative Geschäftsideen) mit?
Jandt: Was viele mitnehmen, ist weniger Wissen im klassischen Sinn – sondern etwas viel Wertvolleres: Sie lernen, sich auszudrücken, für Ideen einzustehen, Netzwerke zu nutzen. Einige entdecken, was sie begeistert – andere merken, was ihnen gar nicht liegt. Und sie lernen, Verantwortung zu übernehmen, Rollen auszuprobieren, Entscheidungen zu treffen. Das macht etwas mit ihnen.
Heiberger: Diese Erfahrungen fördern ein unternehmerisches Mindset – auch für diejenigen, die später nicht selbst gründen. Wer gelernt hat, Probleme kreativ zu lösen, Ideen umzusetzen und eigenverantwortlich zu arbeiten, bringt genau die Kompetenzen mit, die Unternehmen heute suchen. Ob als Auszubildende oder Fachkräfte können diese jungen Menschen viel bewegen.
Knuth: Projekte wie Future Founders zeigen, wie wirkungsvoll gut vernetzte Strukturen sein können, wenn Schulen, Unternehmen und engagierte Akteurinnen und Akteure gemeinsam an der beruflichen Zukunft junger Menschen arbeiten.
Warum funktioniert das Miteinander von Schule und externen Partnern in Brandenburg so gut und was braucht es, damit solche Kooperationen überall gelingen können?
Jandt: Entscheidend ist der Blick über den Tellerrand. Wenn Schulen bereit sind, junge Menschen auch mal außerhalb des Klassenzimmers lernen zu lassen – bei Messen, Workshops oder Wettbewerben – dann entsteht echter Mehrwert. In einer Ganztagsschule wie unserer gibt es die nötigen Freiräume, um solche Projekte wirklich umzusetzen. Was wir hier mit Schülerfirmen in drei Jahren entwickeln können, ist an einem Gymnasium mit verkürzter Schulzeit kaum realisierbar. Damit mehr junge Menschen solche Chancen bekommen, braucht es strukturelle Beweglichkeit – und Lehrkräfte, die Lust auf Gestaltung haben.
Knuth: In Potsdam profitieren wir von kurzen Wegen, engagierten Schulen und einem starken Netzwerk – etwa dem aktiven Bündnis Schule Wirtschaft. Was wir aber brauchen, sind mehr Schulen, die sich öffnen. Viele großartige Ideen scheitern nicht an fehlender Unterstützung, sondern an fehlendem Freiraum im Stundenplan. Schülerfirmen sind arbeitsintensiv – aber sie lohnen sich. Dafür braucht es Offenheit, Vertrauen und Raum zur Entwicklung.
Heiberger: Wir wollen solche Kooperationen bundesweit aufbauen und flächendeckend stärken. Ob Stadt oder Land – die Bedingungen sind überall anders. In Stadtstaaten hilft die Nähe, auf dem Land oft das engere persönliche Netzwerk. Entscheidend ist aber immer: Gibt es Strukturen, an die Unternehmen andocken können? Ansprechpartner*innen, Fächer wie Wirtschaft, Koordinierungsstellen? Nur wenn außerschulische Partner wissen, an wen sie sich wenden können, entstehen tragfähige Kooperationen. Vieles hängt leider noch vom Engagement Einzelner ab. Es wäre wünschenswert, durch strukturelle Verbesserungen mehr Gleichheit und Teilhabe zu schaffen – damit Jugendliche unabhängig von Schulform oder Wohnort von solchen Angeboten profitieren können.