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Von der Schülerfirma zur eigenen Gründung

Zwei junge Frauen entwickeln eine Plattform für mehr Inklusion im Arbeitsleben – und erzählen, wie alles mit einer Schülerfirma begann.

Porträt Luna Jäckel und Claire Koßmann

Früher haben sie miteinander in verschiedenen Schülerfirmen gearbeitet, heute gründen die beiden Studentinnen zusammen ein Start-up. Foto: privat

Claire Koßmann (26) und Luna Jäckel (24) haben eine gemeinsame Mission: Mit ihrer barrierearmen Webseite „einfach arbeiten“ wollen sie Menschen mit Behinderung den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern. Die Idee dafür kam aus der Praxis und aus dem Wunsch, echte Alternativen zur Arbeit in der Behindertenwerkstatt aufzuzeigen.
Kennengelernt haben sich die beiden an der Peter-Joseph-Lenné-Gesamtschule in Potsdam – und zwar in den jahrgangsübergreifenden Schülerfirmen: Claire war Teil der Firma Medien und Büro, Luna engagierte sich bei Ton und Film und gründete später als Geschäftsführerin die Schülerfirma lichterloh Potsdam. Heute studiert Claire Sonderpädagogik und Deutsch auf Lehramt an der Humboldt-Universität zu Berlin im Master. Luna hat zunächst Gebärdensprachpädagogik im Lehramt studiert und befindet sich nun im Bachelorabschluss ihres Rehabilitationspädagogik-Studiums.

Die Peter-Joseph-Lenné-Gesamtschule arbeitet seit vielen Jahren mit Partnern aus dem Initiativkreis von Gründung in school zusammen – darunter die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, IW JUNIOR, kobra.net und JUGEND GRÜNDET. Was die beiden jungen Frauen antreibt, was sie gelernt haben und warum sie sich von Skepsis nicht aufhalten lassen, erzählen sie im Interview.

Was ist die Idee hinter „einfach arbeiten“ – und wo steht ihr aktuell?

Claire: Unsere Idee ist es, weitgehend barrierearme Webseite zu entwickeln, die es Menschen mit Behinderungen ermöglicht zugängliche Informationen über den allgemeinen Arbeitsmarkt – insbesondere über den Bewerbungsprozess – zu finden. Besonders großen Wert legen wir auf barrierefreie Informationen in Leichter Sprache und mit Gebärdensprachvideos. Außerdem soll die Webseite möglichst wenig digitale Barrieren aufzeigen. Die Idee kam mir, als ich in einer Wohngruppe für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen gearbeitet habe. Auf Nachfrage, was sie später werden wollen, antworteten die meisten Jugendlichen: „Na ja, wir gehen halt in die Werkstatt.“ Als gäbe es keine beruflichen Alternativen. Das hat mich erschüttert – und mir wurde klar: Es fehlt eine niedrigschwellige, digitale Informationsquelle, die Selbstbestimmung im beruflichen Werdegang ermöglicht. Da bin ich auf die Idee von einfach-arbeiten gekommen.

Luna: Aktuell entwickeln wir einen funktionstüchtigen Prototyp. Damit wollen wir zeigen, wie das Ganze aussehen kann – für uns selbst, aber auch für potenzielle Förderstellen. Damit bereiten wir unsere Ausgründung Stück für Stück vor. Dank eines Mentoring-Programms der Humboldt-Universität konnten wir schon viel zum Thema Businessplan, Finanzierung und Förderlandschaft lernen

Wie kam es dazu, dass ihr gemeinsam gegründet habt?

Luna: Wir hatten beide ähnliche Erlebnisse im Praxisalltag; ich zum Beispiel während meines Praktikums an einer Schule für taubblinde und hörsehbehinderte Schülerinnen und Schüler. Für viele von ihnen war die Werkstatt der einzige Weg. Nicht, weil sie das unbedingt wollten, sondern weil es die üblichste Option war.

Claire: Wir sind nach einer Schulveranstaltung, auf der auch Alumni eingeladen waren, gemeinsam heimgelaufen und über einfach-arbeiten ins Gespräch gekommen und haben festgestellt: Wir beide spüren diese Lücke – und wollen was dagegen tun. Es war erst nur ein Gespräch, ein Gedankenspiel. Später habe ich mich mit der Idee bei einem Mentoringprogramm der Uni beworben – und wurde angenommen. Sie fänden es gut, hieß es, wenn zusammen mit einer anderen Person machte. Da war für mich sofort klar: Ich rufe Luna an. Zum Glück hat sie Ja gesagt.

Wer oder was hat euch auf eurem bisherigen Weg unterstützt?

Luna: Das Mentoringprogramm der Humboldt-Uni war für uns ein echter Glücksgriff. Dank der Mentorinnen hatten wir neun Monate lang eine enge Begleitung zu den Themen Businessplan, Finanzierung und Förderlandschaft. Besonders hilfreich war, dass wir uns zusätzlich eine Mentorin aus dem Bereich Inklusion gesucht haben. 

Claire: Vieles war auch möglich, weil wir durch unsere Schülerfirmen-Zeit schon ein gutes Verständnis für Gründungsthemen mitgebracht haben – von Businessplan über Teamarbeit bis hin zu Messeauftritten. Diese Erfahrung hat uns nicht nur methodisch geholfen, sondern auch persönlich gestärkt. Ich habe dort gelernt, wie man vor Menschen für die eigene Idee einsteht. Das hilft mir heute in Gesprächen mit Partnerinnen und Partnern, Förderinnen und Förderern enorm.

Welche Hürden gab und gibt es zu überwinden?

Luna: Die größte Herausforderung ist die Finanzierung. Wir wollen, dass unser Angebot für Nutzerinnen und Nutzer kostenlos bleibt – also brauchen wir Unterstützung durch öffentliche Stellen. Doch gerade im sozialen Bereich sind Strukturen und Zuständigkeiten oft unübersichtlich. Träger? Verein? Social Impact Business? Es ist viel Recherche- und Netzwerkarbeit nötig – und als junge Gründerinnen ohne vorzeigbare Qualifikationen mussten wir uns das alles selbst aufbauen.

Claire: Dazu kommt, dass man oft mit Skepsis konfrontiert wird. Nicht nur einmal wurde uns gesagt, dass unsere Idee utopisch sei. Vor allem aus Institutionen, die eigentlich von einfach-arbeiten profitieren würden. Aber wir haben durch die Schülerfirmen gelernt, mit so etwas umzugehen und Resilienz zu entwickeln. Damals mussten wir Geschäftsleuten auch erklären, dass wir kein Schulprojekt zum Spaß sind, sondern echte Umsätze machen. Das hat uns geprägt: Kritik nicht nur aushalten, sondern daraus Motivation ziehen.

Was gebt ihr anderen jungen Menschen mit, die gründen wollen?

Claire: Ich selbst wollte nie unbedingt gründen. Ich habe einfach ein Problem gesehen, das niemand lösen wollte und gedacht: Dann mach ich das eben. Was mir die Schülerfirma beigebracht hat: Man steht nie alleine da, wenn man um Hilfe bittet. Und man wächst an den Herausforderungen, wenn man sie gemeinsam angeht.

Luna: Für mich war es rückblickend die beste Entscheidung, damals auf die Lenné-Schule zu gehen. Dort sind Fähigkeiten in mir entdeckt und gefördert worden, die an anderen Schulen vielleicht unbemerkt geblieben wären. Ich habe gesehen, dass ich meine Fähigkeiten für eine inklusive Gemeinschaft einsetzen kann. Mit einfach-arbeiten kann ich genau das verwirklichen. 

Viel Erfolg bei Eurer Gründung!

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